Bausparen, das Kleingedruckte und Erklärungsnotstand bei Kindern

Die an den Bausparkunden ausgehändigten Unterlagen und das Angebot über die "s Privat-Pension"Der Bausparvertrag zählt nach wie vor zu den weitverbreitetsten Sparformen, wenn es darum geht, gerade für Kinder ein Zukunftspolster zu schaffen. Diese Sparform, vor vielen Jahren noch die Investition, die hohe Renditen und staatliche Prämien garantierte, gerät in schlechtes Licht, wenn sich bei geringer monatlicher Sparleistung und bei Betrachtung der Jahreskontoauszüge folgendes herausstellt: Das anbietende Institut kassiert nicht nur die Zinsen, sondern verdient durch Gebühren zusätzlich noch an der staatlichen Prämie!

Unverständnis und ungläubige Blicke eines Kindes nach Erhalt des zweiten Jahreskontoauszuges löste unsere Recherche aus, bei der sich ein Sachverhalt zeigte, der mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit finden sollte, um zumindest zu verhindern, daß Eltern und Angehörige nicht in die gleiche Situation kommen. Die Frage, warum die Bank die Zinsen für angespartes Kapital kassiert und sogar noch an der staatlichen Prämie verdient, kann gegenüber Kindern wie erwachsenen Kunden nicht wirklich plausibel beantwortet werden. Es zeigt sich, daß in unserem hier dokumentierten Fall die österreichische S-Bausparkasse gute Geschäfte macht, die den Sinn dieser Sparform nicht nur in Frage stellt, sondern als ungeeignet erkennbar macht. Allseits bekannt ist der Umstand, daß Geldinstitute die Hand aufhalten, wo es nur geht; in diesem Fall geht es nicht um die Höhe der Beträge, sondern hauptsächlich um den moralischen Aspekt, der an die Grenze des Verständnis stößt.

Zu den Fakten: Im April 2003 wird ein Vater mit seiner 10-jährigen Tochter in St. Pölten in einer Filiale der Sparkasse Niederösterreich vorstellig, um einen Bausparvertrag für das Kind abzuschließen. Schon zu Beginn des Gespräches mit der Sachbearbeiterin (Name der Redaktion bekannt) teilt der Vater aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage mit, daß er nur einen kleinen Betrag in Höhe von 20.- € pro Monat zur Verfügung stellen kann. Wohlmeinend wird auch gleichzeitig ein Jugendkonto eröffnet, auf das das monatliche Taschengeld einbezahlt werden soll. Es folgen die üblichen Formalitäten , doch neben dem Bausparvertrag legt die Sachbearbeiterin auch noch ein schriftliches Angebot über eine „s Privat-Pension“ für die 10-jährige Tochter vor. Selbstverständlich umfassen die ausgehändigten Dokumente nicht nur den Bausparvertrag für die Tarifform „Plus-Bausparen mit Verzinsung 3,5% bis 31.12.2003“, sondern auch 2 DIN A4 Informationsblätter mit viel Kleingedrucktem zu den „Allgemeinen Bedingungen für das Bauspargeschäft“ sowie ein Blatt mit Erläuterungen zum „Antrag auf Erstattung der Einkommenssteuer“ und einen kleinen Folder mit der Bezeichnung „Das Plus-Bausparen mit variablen Zinsen“. Dieser Folder beinhaltet eine tabellarische Aufstellung über Guthaben und Gewinn beim „Plus-Bausparen“. Als Geschenk wird dem Kind auch eine Armbanduhr ausgehändigt – ein Kind freut sich natürlich darüber. Jeden Monat werden die vereinbarten 20.- € auf den Bausparvertrag einbezahlt. Im Jahr 2003 war dies 9x der Fall. Der Jahreskontoauszug von 2003 weist folgende Bilanz aus:

Faksimile des Jahreskontoauszuges von 2003Faksimile des Jahreskontoauszuges von 2003

Für die einbezahlten 180.- € werden 2,11 € an Zinsen bezahlt, die Kapitalertragsteuer in Höhe von 52 Cent sowie die Kontoführungsgebühr mit 5,30 € werden vom Guthaben abgezogen. Somit schuldet der Sparer dafür, daß er bei der S-Bausparkasse bausparen darf, dem Institut 3,71 €. Gut, daß es die staatliche Prämie gibt, die mit 7,20 € zu Buche schlägt, wovon dann nach 9 Monaten eifrigen Sparens definitiv 3,49 € überbleiben. Dies war das Einzige was an Rendite geblieben ist, denn selbst die S-Bausparkassen-Uhr war bereits nach kurzer Zeit defekt, da sich das Ziffernblatt verselbständigt hatte. Nein, Ende 2003 gab es noch keine Fragen des Kindes … nur die kaputtgegangene Uhr kränkte zu diesem Zeitpunkt ein wenig.

Kurz nach Erhalt, war das Werbegeschenk der S-Bausparkasse kaputtKurz nach Erhalt, war das Werbegeschenk der S-Bausparkasse kaputt

Der S-Bausparvertrag lief weiter, Anfang 2005 kam dann der zweite Jahreskontoauszug – das Kind war mittlerweile deutlich gereift, doch auch im zweiten Jahr der Laufzeit desVertrags fiel die Bilanz nicht viel besser aus.

Faksimile des Jahreskontoauszuges für 2004Faksimile des Jahreskontoauszuges für 2004

Der Zinsertrag von 5,83 € abzüglich der Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,45 € abzüglich der Kontoführungsgebühr von 5,66 € ergab einen Minusbetrag von 1,28 € zu Gunsten der S-Bausparkasse. Verrechnet man diesen Betrag wieder mit der staatlichen Prämie, dann verblieben im Haben 7,12 €.

Sieht man von den Ziffern der Beträge ab und betrachtet man die Prozentsätze, wirkt dies schon ganz anders: Im Jahr 2003 kassierte die S-Bausparkasse die Zinsen zur Gänze und beanspruchte durch die Kontoführungsgebühren 51,5 % der staatlichen Prämie für sich. Im darauffolgenden Jahr gab es noch immer keine Zinsen für den „Kleinsparer“, das Verhältnis des an die S-Bausparkasse abzuführenden Anteils der staatlichen Prämie verbesserte sich auf nur noch 15,3%.

Zu diesem Zeitpunkt wendete sich das Mädchen über Umwege letztlich an unsere Österreich-Redaktion. Unsere erste Frage an den Vater lautete, ob er denn bei Abschluß des Vertrages deklarierte, daß er „nur“ einen Betrag in Höhe von 20.- € einzahlen wollte, worauf er angab, daß er damals darauf hingewiesen habe, sich nicht mehr leisten zu können. Auf die zweite Frage, ob denn die Sachbearbeiterin der Bank ihm nicht eine andere Sparform angeboten hätte oder ob er ein Beratungsgespräch hatte, in dem er auf die Kosten wie die der Kontoführung aufmerksam gemacht wurde, verneinte er. Seine Tochter befragten wir, ob sie sich erinnern könnte, daß eine andere Sparform als Alternative angeboten worden war anstelle des Bausparvertrages. Auch sie stellte dies in Abrede. Der Vater argumentiert, wenn er das mit den Gebühren gewußt hätte, hätte er mit Sicherheit keinen Bausparvertrag abgeschlossen. Er spare doch nicht für seine Tochter, damit die Bank die Zinsen kassiert.

Wir nahmen in Folge mit Frau Dr. HARRER von der Pressestelle der S-Bausparkasse Kontakt auf und ersuchten sie um Auskunft ob ein Kundeninformationsgespräch nicht verpflichtend für die Berater sei und andererseits, wie es denn möglich sei, daß das Institut alle bisher angefallenen Zinsen im gegenständlichen Fall kassiert und noch dazu an der staatlichen Prämie verdient. Das ganze schien eine einzige Geschäftemacherei für das Bausparunternehmen zu sein. Frau Dr. HARRER gab in unserem Interview an, daß eine Beratungspflicht bestünde und daß das Personal entsprechend geschult sei, ob in diesem Fall dieser Verpflichtung nachgekommen wurde oder nicht, könne sie natürlich nicht sagen. Wegen der Absorption der Zinsen gab sie an, daß dies etwas unglücklich scheine, aber: „die Relation wird jedes Jahr besser„. Wir erfahren außerdem noch, daß das Bausparen noch immer zu den beliebtesten Sparformen gehört und diese Art des Vertrages mehr als ¾ der Abschlüsse ausmache. Die Verzinsung nach KEST (Kapitalertragssteuer) beläuft sich auf 2,42% nach 6 Jahren per Anno und wäre somit besser als der Klassiker: Das Sparbuch. Wir berichten der Pressesprecherin noch von dem Umstand, daß das Webegeschenk schon nach kurzer Zeit kaputt war, woraufhin wir ein Ersatzgeschenk zur Weitergabe an das Kind übermittelt bekamen.

Fast immer gibt es für den Kunden Werbegeschenke und ebenso ist es Fakt, daß die Institute Prämien für den Abschluß von Bausparverträgen erhalten. Es war nicht davon auszugehen, daß wir über die Höhe der Prämien für die Bankbeschäftigten/Filialen Auskunft erhielten, dennoch versuchten wir dies herauszufinden. Frau Dr. HARRER hielt sich, wie zu erwarten war, bedeckt und so konnten wir lediglich in Erfahrung bringen, daß gegenwärtig diese Boni mit jeder Bankfiliale gesondert ausgehandelt werden.

Um den Kreis der Beteiligten zu komplettieren, nahmen wir noch mit der Sachbearbeiterin der Filiale der Sparkasse Niederösterreich Kontakt auf und konfrontierten sie mit dem Sachverhalt. Es ging uns primär darum, Auskunft darüber zu erlangen, ob Beratungsgespräche im Fall von Bausparvertragsabschlüssen generell vorgenommen werden oder nicht und wenn ja, in welchem Umfang. Denn in diesem Fall hätte der Berater aus Fachkenntnis wissen müssen, daß es zu groben Einschnitten bei den Zinsen und der staatlichen Prämie angesichts des geringen eingezahlten Kapitals kommen müßte, da zu Beginn bereits vom Bankkunden dargelegt wurde, daß er nur 20.- € pro Monat einzahlen könne.

Wurde seitens der Bankangestellten eingangs in Abrede gestellt, daß sie im Monat des Vertragsabschlußes in der Bank beschäftigt war, hielten wir dem entgegen, daß auf den uns vorliegenden Unterlagen ihr Name ausgewiesen wäre. Letztendlich räumte sie dann ein, doch den Vertragsabschluß vorgenommen zu haben. Doch das mit ihr geführte Gespräch am Telefon war relativ rasch beendet, nachdem uns die Dame schon nach wenigen Sätzen etwas forsch an einen anderen Mitarbeiter des Institutes weiterleitete. Sowohl Sie als auch der folgende Gesprächspartner waren bemüht, von uns die Kundendaten und nähere Angaben zur Person aus dem konkreten Fall zu erfahren. Wir beriefen uns auf das Redaktionsgeheimnis und führten an, daß die Daten doch in keiner Relevanz zum Sachverhalt stehen würden. Während sich der neue Gesprächspartner im Gegenzug auf das Bankgeheimnis berief und es ablehnte, uns Auskunft zu erteilen, war im Hintergrund besagte Sachbearbeiterin zu hören, die verlautbarte, daß es eine „Frechheit“ sei, ihr den Vorwurf zu machen, kein Beratungsgespräch vorgenommen zu haben. Ergänzung und Bestätigung der zuvor vertretenen Unwahrheit fand sich noch in dem Hinweis, daß sie sogar einen Prospekt an den Kunden ausgehändigt habe. Das einzige, was blieb war die „Aufforderung“ des Bankbeschäftigten, sich mit dem Ombudsmann in Verbindung zu setzen, worauf wir entgegneten, bereits mit Frau Dr. HARRER von der Pressestelle gesprochen zu haben. Im übrigen war besagter Ombudsmann im Anschluß an das Gespräch nicht zu erreichen, da er nicht im Dienst war.

Nachdem uns besagter Prospekt vorliegt, auf den sich die Sachbearbeiterin berief, konnten wir bei genauer Betrachtung tatsächlich den Hinweis finden, daß sich die Berechnungen in der Tabelle wie folgt zusammensetzen:

Im Kleingedruckten:

Alle Angaben über Guthaben und Gewinne in diesem Prospekt sind ohne Abzug der Kontoführung berechnet.

Ja, es ist richtig, daß dem Kunden diese Angaben übergeben wurden – ebenso finden sie sich im Schriftsatz „Allgemeine Bedingungen für das Bauspargeschäft“,gänzlich kleingedruckt , unter der Rubrik „Kontoführung und Spesenersatz“:

Für die Kontoführung werden pro Konto jährlich EUR 4,22 verrechnet. Die Bausparkasse ist weiters berechtigt, für die Kundenzeitschrift einen Kostenbeitrag von EUR 0,36 pro Ausgabe zu verrechnen.

Der aufgeklappte Informationsfolder der S-Bausparkasse - bedeutsam: das KleingedruckteDer aufgeklappte Informationsfolder der S-Bausparkasse – bedeutsam: das Kleingedruckte

Wie auch immer, Vater und Tochter stellen entsprechende Informationen die durch die Beraterin verpflichtend hätten geliefert werden sollen, in Abrede – es steht Aussage gegen Aussage und tatsächlich ist im Kleingedruckten alles evident. Fragt sich nur, wer das Kleingedruckte liest? Anstatt unnötige Werbegeschenke zu verteilen, sollte sich die S-Bausparkasse überlegen, deren Anschaffungskosten einzusparen, um vielleicht nicht die Zinsen und Anteile der staatlichen Prämie bei Kleinstsparern anzugreifen. Außerdem ist es gerade Kindern gegenüber pädagogisch unklug, derartige Geschäftstaktiken im Kleingedruckten zu verstecken und mit Abschluß eines Bausparvertrages gleichzeitig ein Zeitungsabonnement zu verkaufen. Hier würde sich Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber den Kindern sicher wesentlich positiver auswirken.

Was dem österreichischen Konsumenten als Alternative zum Bausparen geboten wird, und welche Meinung auch kritische Finanzfachleute über das Bausparen mit geringen monatlichen Beträgen haben, darüber haben wir mit der Projektleiterin für Finanzdienstleistungen im Verein für Konsumenteninformation, Frau Mag. Beate SUCHER, gesprochen, denn bei geringen monatlichen Beträgen ist vom Bausparen, wie die Praxis zeigt, eher abzuraten. Unser  Interview: Kritik am Bausparen mit dem VKI.

062505

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