Die Instrumentalisierung der Filmkritker

Einladung der UIP zur Pressevorführung von Krieg der Welten

Es hat Jahre gedauert, bis endlich der Fall eingetreten ist, daß sich Journalistenverbände der Thematik der „gesteuerten“ Berichterstattung und der untragbaren Zustände bei Pressevorführungen für Journalisten durch die Filmwirtschaft angenommen haben.

Das Faß zum Überlaufen gebracht haben die Vorgaben der UIP (United International Pictures) für die Pressevorführungen im Zusammenhang mit dem prolongierten Blockbuster „Krieg der Welten“ mit Tom CRUISE. Der Pressevorführung, die ohnehin nur 2 Tage vor Filmstart stattfinden sollte, war eine Einladung des Filmverleihers vorausgegangen, die den Verband der deutschen Filmkritik regelrecht zum Handeln zwang. UIP legte den Journalisten folgende Verpflichtungserklärung zur Unterfertigung vor:

Die Möglichkeit der Teilnahme an der Vorführung von „Krieg der Welten“ wird unter der Bedingung eingeräumt, dass Sie vor dem 29. Juni 2005 keine Kritik o. ä. betreffend „Krieg der Welten“ veröffentlichen. Falls Sie zur Erfüllung dieser Bedingung nicht in der Lage oder dazu nicht bereit sein sollten, bitten wir Sie, von der Einladung keinen Gebrauch zu machen.

Verpflichtungserklärung der Buena Vista International zu Kill Bill 2 aus 2004Verpflichtungserklärung der Buena Vista International zu Kill Bill 2 aus 2004

Eine Bedingung, die zunehmend in den vergangenen Jahren immer öfter in Erscheinung tritt und keineswegs UIP alleine betrifft. So hat auch beispielsweise die Buena Vista International bei der Pressevorführung von „Kill Bill Volume 2“ gleiche Vorgaben erteilt. Doch die Terminfestsetzung für Berichte und Kritiken durch den Filmverleih, die der Filmwirtschaft die massive Medienberichterstattung punktuell gewährleisten soll, ist nicht der einzige Anstoßpunkt, sondern des weiteren die Kriminalisierung des gesamten Berufsstandes der Filmkritiker, die ebenso seit Jahren sich bei einzelnen Pressevorführungen bis hin zur Leibesvisitation einem Prozedere unterziehen müssen, das verhindern soll, daß heimliche Aufnahmen für Raubkopien angefertigt werden. So ergab sich bei einem Redaktionsangehörigen unseres Magazins der skurrile Umstand, daß ausgerechnet vor einer Pressevorführung das Mobiltelephon abgegeben werde musste, auf dem ein Anruf erwartet wurde, der im Zusammenhang mit einer verdeckten Recherche von gewerbsmäßigen Raubkopierern und -Händlern stand. Es konnte ebenso schon der Vorfall beobachtet werden, wo einer Kollegin nach der Pressevorführung durch die im Auftrag des Filmverleihers tätige Security-Crew ein falsches Handy zurückgegeben wurde. Dies hatte zur Folge, daß die Kollegin warten mußte bis alle Telephone zurückgegeben waren und ihres dann übrig blieb.

Die Verpflichtungserklärung der UIP zu Krieg der WeltenDie Verpflichtungserklärung der UIP zu Krieg der Welten

Zeit ist ein wichtiger Faktor für Journalisten und kaum ein Leser einer Filmkritik, die über den Rahmen von Bewertungssymbolen und Inhaltsangabe hinausgeht, hat eine Vorstellung davon, welcher Zeitaufwand real damit verbunden ist. Die Annahme, daß die alleinige Konsumation eines Streifens alles wäre nach der man sich dann am Schreibtisch setzt und seine Eindrücke für den Leser formuliert, ist fernab der Realität betreffend des Arbeitsalltages eines Filmkritikers.

Einer unserer Aufkäufe von gewerbsmäßig hergestellten RaubkopienDie schreibende Zunft wird durch Sicherheitskräfte kontrolliert, ja auch gefiltert, und sogar während den Vorführungen neuerdings mit Nachtsichtgeräten beobachtet, es kann natürlich nicht zu 100% ausgeschlossen werden, daß es unter den Kollegen nicht auch schwarze Schafe gibt, aber die pauschalierte Kriminalisierung des gesamten Berufsstandes ist nicht nur nicht angebracht, sondern erfreulicherweise scheint der Zeitpunkt des Gegensteuern erreicht worden zu sein. Unsere bereits mehrfach vorgenommenen verdeckten Scheinkäufe von Raubkopien gewerbsmäßiger Anbieter weisen auf ganz andere Berufsgruppen hin, die sich an der Massenproduktion von illegalen Filmkopien beteiligen, darunter befindet sich auch der Personenkreis, der in den Projektionsräumen tätig ist.

Es bleibt natürlich auch das Faktum, daß mit Gleichschaltung der Veröffentlichung der Filmkritiken mit vielleicht auch negativen Statements zum Zeitpunkt der Erstaufführung dies weniger Auswirkungen auf die Besucheranzahl hat. Der Grad eines Erfolges für die Filmwirtschaft wird in einem nicht unerheblichen Maße an verkauften Eintrittskarten gemessen. Die gekaufte Werbung und Vorankündigung im Fernsehen trägt dazu bei, daß Interesse zu wecken und Kinobesucher, die auch nur Kunden sind, in die Kinosäle zu locken.

Wir haben die Pressevorführung von „Krieg der Welten“ in der Hauptrolle mit Tom CRUISE nicht besucht und wir werden auch über keinen Film, in dem dieser Schauspieler mitwirkt, mehr berichten. Dies hat jedoch nichts mit den Vorgaben der Filmverleiher zu tun, sondern mit dem Umstand, daß CRUISE vor einiger Zeit bei einem Aufenthalt in Deutschland sehr lauthals Deutschland vorwarf, Scientology unter staatlicher Beobachtung zu halten. Es finden sich auch verstärkt Berichte in den Medien, daß die Scientologen im Umfeld des Stars bei Dreharbeiten in Erscheinung treten. Natürlich kann die Entscheidung des Schauspielers, wo er sein Seelenheil sucht und zu finden glaubt, nicht kritisiert werden. Würde er die Dinge zwischen privater und beruflicher Seite trennen, wäre dies auch zu akzeptieren – beginnt er jedoch dieser Sekte unter Ausnutzung seines Bekanntheitsgrades vielleicht zu mehr Ansehen und Aufmerksamkeit – gerade bei jungen Menschen – zu verhelfen und die staatliche Entscheidungen eben unter dieser seiner Stellung ausnützend anzugreifen, dann kann man auch einen Schauspieler ins Bodenlose stürzen lassen. Es bedarf nur eines geschlossenen Auftretens und Vorgehens der Medien. Wenn keiner mehr über Tom CRUISE schreibt – was wäre die Folge: der ehemalige Top Gun Held verblaßt – wir werden die Entwicklungen verfolgen und die Causa Filmwirtschaft, Tom CRUISE, John Travolta und Co im Blickwinkel behalten.

062706

Schreibe einen Kommentar