Brieflose und der Zwiespalt der Marktwirtschaft bei JET Tankstellen

Welcher Autofahrer im deutschsprachigen Raum kennt sie nicht – die gelb/blauen Tankstellen mit der Bezeichnung JET – JET-Tankstellen des Mineralölmultis ConocoPhillips Company, dessen Vertriebsnetz mit Stand 1/06 etwa 20.000 Treibstoffabgabestellen umfaßt und der in 49 Ländern mit einem Beschäftigtenstand von etwa 56.000 Mitarbeitern tätig ist. Der Hauptsitz der Company befindet sich in Houston, Texas – USA. JET ist im deutschsprachigen Raum bekannt dafür, daß der Treibstoffpreis meist knapp unter dem der Mitbewerber im angrenzenden lokalen Bereich liegt. Die Tankstellen präsentieren sich frisch, innovativ und sauber  und dem allgemeinen Trend folgend, umfaßt das Tankstellenangebot auch einen Shop, in dem von Lebensmittel bis zur Tageszeitung der kleine Einkauf für den täglichen Gebrauch vorgenommen werden kann. Betrieben werden die Tankstellen durch Pächter, die im Auftrag des Konzerns in Österreich, der ConocoPhillips Austria GmbH, ihre Arbeit vornehmen. Die Pächter sind mit dem Konzern durch einen Vertrag verbunden, der wirtschaftliche Spielräume nur in geringsten Umfang zuläßt. Beispielsweise dürfen die Pächter keine Waren zum Verkauf anbieten, die nicht von der Konzernleitung genehmigt sind oder nicht durch deren Zentraleinkauf gesteuert werden. Umso wunderlicher stimmte uns folgender Sachverhalt:

Brieflos mit GewinnZu Beginn diesen Jahres (06), wie eben dem durchschnittlichen Konsumentenverhalten entsprechend, griff ein Kunde, der nach der Betankung des Fahrzeuges seine Rechnung im Shop bezahlen wollte, in die neben der Kassa aufgestellte Brieflosbox und erwarb ein solches der  Österreichischen Lotterien. Zurückhaltung ist beim Briefloskauf seit der Euro-Einführung in Österreich angesagt. Der Preis hat bekanntermaßen vormals 10.- öS, umgerechnet Euro 73 Cent, ausgemacht. Und weil ja, wie immer von der Wirtschaft betont, seit der Euro-Einführung nichts teurer geworden ist, kostet das Brieflos nunmehr glatt einen Euro. Dies stellt eine Verteuerung von 37 % dar. Das Brieflos war zwar kein Bargeldsofortgewinn, der von der Verkaufsstelle prompt ausgezahlt wird, sondern beinhaltete den Gewinn „Die Brieflos-Show“.

Rechnung der JET für das zweite BrieflosBei der Brieflos-Show, sofern der „Gewinner“  dann gezogen wird, besteht die Möglichkeit Bargeld in Höhe von 1.000.- bis mehreren 100.000.- Euro zu gewinnen. Dieser Abschnitt ist auf der Rückseite mit dem Namen und der Adresse des Gewinners zu versehen und wird üblicherweise von der Verkaufsstelle zur Weiterleitung an die Sammelstelle der Österreichischen Lotterien entgegen genommen. Üblich – nein, bei der JET-Tankstelle in Hainburg a.d. Donau war dies jedoch nicht der Fall. Das Personal lehnte die Annahme des Brieflosabschnittes ab und verwies darauf, entweder eine Trafik (Anm.: Verschleißstelle für Tabakwaren in Österreich) aufzusuchen oder den Abschnitt postalisch an die Österreichische Lotterien GmbH zu schicken. Da half keine Argumentation des Kunden hinsichtlich des damit verbundenen Mehraufwandes, oder den damit verbundenen Kosten von etwa 60 bis 65 Cent (Porto und Kuvert), aber auch nicht die Logik, die besagt „wenn ich hier etwas kaufe, dann hat die Verkaufsstelle für die Weiterleitung zu sorgen“. Es blieb dabei und Beschwerden würde der Chef entgegen nehmen. Ein paar Tage später – der gleiche Ort, der gleiche Vorgang und diesmal war auch der Chef im Hause. Auf die Frage, warum die Brieflose nicht durch die Verkaufsstelle weitergeleitet werden (unter der gleichen Argumentation wie bei seinem Personal) kam die Antwort: „Das kostet alles viel Geld„. Klartext: Die Verkaufsstelle erwirtschaftet Gewinn aus dem Brieflosverkauf, wenn es jedoch darum geht der Logik folgend, einen Gewinnabschnitt weiterzuleiten, dann kostete das zu viel Geld. Das kann es doch nicht sein, mit dieser Aussage – dann der Kauf eines weiteren Briefloses und diesmal mit Rechnung. Wie es das Schicksal haben will ein zweites Brieflos mit dem Gewinn der Teilnahmemöglichkeit „Die Brieflos-Show“. Wieder keine Abgabe an der Tankstelle, aber die Kassiererin bot hilfreich an, selbst den Abschnitt in der Trafik abzugeben. Ganz lieb, aber nein, danke, das bedarf einer Klärung.

In einem Telephonat mit der ConocoPhillips Germany GmbH wurden wir freundlicherweise an die Firmenleitung für Österreich, der ConocoPhillips Austria GmbH in Salzburg verwiesen. An den zuständigen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit richteten wir die Anfrage und ersuchten um Auskunft, warum denn die Abschnitte nicht direkt in den Verkaufsstellen abgegeben werden können und wiesen auf den Mehraufwand für den Kunden hin und deklarierten derartige Modalitäten als nicht konsumentenfreundlich.

Faksimile der Anfrage an die ConocoPhillips Austria GmbHFaksimile der Anfrage an die ConocoPhillips Austria GmbH

Nach kurzer Zeit meldete sich in unserer Redaktion ein Außendienstmitarbeiter der ConocoPhillips Austria GmbH, der von einem Irrtum in einer einzelnen Filiale sprach und mitteilte, daß in den Schulungen des Konzerns die verpflichtende Übernahme der Gewinnabschnitte zwecks Weiterleitung an die Österreichische Lotterien gelehrt werde. Wir mögen so nett sein und die Tankstelle namhaft machen, wo sich der Vorfall ereignete. Der Außendienstmitarbeiter tippte auf die Tankstelle in Hainburg, da sich unsere Redaktion dort befindet. Ohne diese Frage zu beantworten, ersuchten wir diese Aussage vorerst in schriftlicher Form zu übermitteln. Zwei Tage später als vereinbart, traf dann das schriftliche Statement des District Sales Representative, Herrn ECKER, bei uns ein.

Es wird uns mitgeteilt, daß die Tankstellenunternehmer seitens der Österreichischen Lotterien verpflichtet sind, die besagten Abschnitte zwecks Weiterleitung an deren Sammelstelle, entgegenzunehmen.

Wir sehen diesen Vorgang selbstverständlich auch als Kundenservice und machen dies für unsere Kunden gerne.

Der ganze Vorgang wäre ein bedauerlicher Einzelfall – der Grundtenor.

Faksimile der Stellungnahme der ConocoPhillips Austria GmbHFaksimile der Stellungnahme der ConocoPhillips Austria GmbH

Schon zuvor haben wir der Medienbetreuung der Österreichischen Lotterien GmbH eine Schilderung des Sachverhaltes übermittelt und um Stellungnahme ersucht. Die Sachbearbeiterin, Frau WOHLAUF, teilte uns dann unter anderem zu unseren Fragen folgendes mit:

Alle Vertriebsstellen sind dazu angewiesen, die gesammelten Losabschnitte in regelmässigen Abständen an die Österreichischen Lotterien einzusenden. Zu diesem Zweck erhalten die Vertriebsstellen spezielle Kuverts mit denen die gesammelten Losabschnitte portofrei eingesendet werden können.

Wir haben keine Information darüber, dass Vertriebsstellen ihre Brieflos show Abschnitte nicht wie vereinbart einsenden. … Darf ich Sie fragen, woher Sie Ihre Angaben haben? Wir würden diese konkreten Angaben gerne weiter verfolgen.

Faksimile aus dem Statement der Österreichischen Lotterien GmbH zu dem SachverhaltFaksimile aus dem Statement der Österreichischen Lotterien GmbH zu dem Sachverhalt

ConocoPhillips Austria GmbH spricht von einem bedauerlichen Einzelfall und das haben wir in Form von Tankstellenkunden stichprobenartig im gesamten Bundesgebiet von Österreich überprüft. Das Tankstellenverzeichnis weist per 21.1.06 121 Tankstellen aus. Wir haben aufgrund der Aussage der JET-Konzernleitung 18 Tankstellen überprüft. Fakt ist, daß als Resultat unserer Recherchen stolze 27 % der Tankstellen, die Brieflose vertreiben, die Gewinnabschnitte nicht zur Weiterleitung an die Österreichische Lotterien GmbH entgegen nehmen.

weiteres Beispiel: auch diese JET in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 275 nimmt die Brieflosabschnitte zur Weiterleitung nicht entgegen, sondern verweist auf Trafiken oder den Postwegweiteres Beispiel: auch diese JET in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 275 nimmt die Brieflosabschnitte zur Weiterleitung nicht entgegen, sondern verweist auf Trafiken oder den Postweg

Also kein Einzelfall und insofern als ungeheuerlich zu bezeichnen, weil für die Weiterleitung der Brieflosabschnitte nicht einmal Porto von den Tankstellenbetreibern zu entrichten ist, auch die Kuverts werden zur Verfügung gestellt. Das Zitat des Chefs der JET in Hainburg „Das kostet alles viel Geld“ kann sich somit nur auf den Zeitaufwand des Personals beziehen.

Es scheint Handlungsbedarf seitens der Vertragspartner, der Österreichischen Lotterien GmbH und der ConconoPhillips Austria GmbH zu geben, damit der Konsument sein Recht bekommt und nicht ungerechtfertigte Aufwendungen betreiben muß.

Update 24.01.06 – Schreiben der Österreichischen Lotterien GmbH

Sehr geehrter Herr Glöckel,

ich habe mit der zuständigen Abteilung in unserem Haus Rücksprache gehalten und Ihre Informationen weitergegeben. Der Kontakt zu JET wurde bereits hergestellt und die Pächter werden nochmals angehalten, den vereinbarten Ablauf einzuhalten. Herzlichen Dank für Ihre Informationen. Es liegt uns sehr daran, dass unsere Kunden den Service erhalten, der Ihnen zugesagt wurde.

Herzliche Grüße
Gerlinde Wohlauf
Österreichische Lotterien, Rennweg 44, 1038 Wien, Österreich
Medienbetreuung, Public Relations
www.lotterien.at

Update 14.06.07

Am 3.10.06 hat uns die Zuschrift einer Leserin erreicht, in der diese angibt, daß auf der Jet-Tankstelle in 2700 Wr. Neustadt, Puchbergerstrasse 1 die Brieflosabschnitte auch nicht angenommen und an die zuständige Stelle weitergeleitet werden. Am 4.10.06 haben wir diese Mitteilung inhaltlich Frau WOHLAUF von den Österreichischen Lotterien zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig um Überprüfung und Rückmeldung ersucht. Bis zum heutigen Tage kam keine Antwort von der Stelle für „Medienbetreuung“. Um derlei Widrigkeiten vorbeugend entgegenzuwirken könnte man ja als Konsument künftig vor dem Erwerb eines Briefloses in einer JET-Tankstelle fragen, ob ggf. der „Gewinnabschnitt“ auch an die Lottogesellschaft weitergeleitet wird …

072201

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