Ein Einkauf und die ihm nachfolgenden Ereignisse in einer Filiale von SPAR untermauert einmal mehr, wie gewichtig das Engagement kritischer Konsumenten sein kann und daß letztlich das Verhalten des Verkaufspersonals darüber entscheidet, ob SPAR einen zufriedenen Kunden halten oder ebenso verlieren kann.
SPAR wollte das Brot mit der Verpackung wiegen und verkaufen – der mündige Konsument reagiert
Der Erwerb eines halben Kilogramm Brotes sollte zu einer bemerkenswerten „Kontroverse“ innerhalb des SPAR-Konzern führen, dessen weiteren Verlauf wir genau beobachten werden. Was geschehen war: An der Verkaufstheke für Brot- & Backwaren orderten wir ein halbes Brot, das für die Bestimmung des Verkaufspreises abgewogen wurde. Nachdem das Verpackungsmaterial ein Papiersäckchen beinhaltete und wir vorerst einen Preis von 1,34 € ablesen konnten, ersuchten wir die freundliche Verkäuferin doch nochmals das Brot abzuwiegen und diesmal ohne dem Verpackungsmaterial. Tatsächlich differenzierte der Brotpreis dann um genau 1 Cent. Mit einem etwas „verhärteten“ Gesichtsausdruck entnahm die Verkäuferin dann den Bon mit dem um einen Cent verminderten Betrag und klebte ihn auf das Sackerl. Ein Cent möge man meinen, was ist denn schon ein Cent – nicht mehr und nicht weniger als fast 14 Groschen oder etwa 2 Pfennige – und dies für Papier, einfach eine Verpackung.
Wir wollten vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) wissen, wie es sich mit der Wiegung und Mitverrechnung des Verpackungsmaterials in Österreich verhält. Ob dies legitim sei und ob es einschlägige Beschwerden seitens Konsumenten gäbe. Die Pressesprecherin, Frau Mag. Sabine BURGHART übermittelt uns eine einschlägige Veröffentlichung zu der Thematik aus dem Jahr 2002 und gibt bekannt, daß es gegenwärtig dazu nur gelegentlich Konsumentenanfragen gibt. Die Publizierung der Ausgabe KONSUMENT Nr. 3 aus 2002 titelt damals noch unter „Dauerbrenner“ zum Mitwiegen der Verpackung, listet Anfragen an Supermarktketten auf und ergänzt die Veröffentlichung mit Testkäufen. Wesentlich ist jedoch die Erkenntnis, daß scheinbar keine gesetzliche Bestimmung mehr existiert, die es dem Handel verbieten würde, die Verpackung mitzuwiegen.
Der Hauptzentrale von SPAR in Salzburg schickten wir dann eine Sachverhaltsdarstellung und ersuchten um Mitteilung, ob der Fall in der Filiale in Hainburg/D. ein Einzelfall wäre oder von dem Mitwiegen der Verpackung alle Supermärkte der Kette betroffen wären. Mag. Claudia I. KERN, Leiterin des SPAR Service Team, teilt in ihrer ausführlichen Stellungnahme auszugsweise wie folgt mit:
Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass das Verpackungsmaterial bei jeder Art von Produkt Bestandteil der Produktkalkulation ist: Sei es nun der Becher Jogurt, das Papier der Tafel Schokolade, das Glas bei den Gurkerl oder die aufwendige Verpackung bei einem exquisiten Konfekt.
Bei offener Ware wie Fleisch, Wurst oder Käse ist genauso für das Verpackungsmaterial zu bezahlen, nur hier ist es am jeweiligen Artikelpreis noch nicht miteinkalkuliert, sondern wird mitgewogen. … Es handelt sich also um eine branchenübliche Vorgehensweise, vor allem auch, weil es derzeit keine praktikable Alternativlösung gibt. (Anm.: 1:1-Abschrift)
Faksimile aus der Stellungnahme der SPAR Österreichische Warenhandels-AG
Doppelt hält besser und ebenso erhalten wir von der Pressesprecherin, Frau Mag. Nicole BERKMANN, folgende Stellungnahme (Auszug):
Das Verpackungsmaterial wird im gesamten österreichischen Lebensmittelhandel – nicht nur bei Supermärkten sondern auch bei Fleischern und Feinkostläden und anderen Läden – mitgewogen. Das ist seit Jahrzehnten übliche Praxis.
Immer wieder macht der Handel Versuche, diese Praxis zu ändern, es ist jedoch noch nie jemandem etwas brauchbares eingefallen. Faktum ist nämlich, dass das Verpackungsmaterial bei jedem Produkt Bestandteil der Kalkulation ist. Das heißt, man zahlt bei einer Reispackung natürlichauch einen Betrag für die Schachtel, nur merkt man es im Fixpreis nicht. Bei den offenen Produkten hat man vor langer Zeit die Lösung gefunden, das Papier einfach mitzuwiegen. Dies ist auch gesetzlich erlaubt.
Es ist leider auch nicht möglich, dass ein Händler damit einfach aufhört, weil dann müßte der Betrag für das Verpackungspapier in die Produktkalkulation anders Eingang finden und das heißt, es würde das Produkt verteuert werden. Dies kann kein Händler alleine machen, weil er dadurch als einziger höhere Preise hätte. Dies ginge nur, wenn das alle gleichzeitig machen (müßten).
Während sich die Stellungnahmen der SPAR-Zentrale vom 27. und 28.12.2007 auf brachenübliche Vorgangsweisen beruft, suchen wir am 27.12. nochmals die Filiale in Hainburg/Donau auf und ersuchen um ein Gespräch mit der Filialleiterin. Unter Legitimierung als Medienvertreter sprechen wir die in dieser Filiale gemachte Wahrnehmung an und fragen, warum nicht die an der Waage vorhandene Tara-Taste betätigt wird. Um zu veranschaulichen worum es uns geht, willigt die Filialleiterin ein, für einen hypothetisch angenommenen Einkauf einer Wurst mit einem Verkaufspreis von 2,49 € pro 10 dag das Verpackungspapier auf die Waage zu legen. Dann plötzlich doch ein etwas verhaltenes Erstaunen, als die Filialleiterin alleine für das Blatt Verpackungspapier den Preis von 10 Cent = ~1,40 öS oder 20 Pfennige abliest. Nichts war und ist so gewichtig wie die für sich allein sprechenden Fakten. Ohne daß unser Vertreter auch nur noch ein Wort gesagt hätte, weist sie alle Verkäuferinnen an Ort und Stelle an, künftig die Tara-Taste vor der Abwage zu betätigten.
Die offene Ware mit dem Verkaufspreis von 2,49 € stellt dabei nur einen Durchschnittsartikel dar, der durch die große Bandbreite weitaus teurerer und qualitativ hochwertiger Ware der SPAR-Angebotspalette einen noch viel teureren „Papierpreis“ zur Folge haben würde.
Während der Konzern scheinbar eine andere Leitlinie vorgibt, haben die Fakten die Filialleiterin von sich aus überzeugt. Wie die Verkaufspraxis in diesem Fall bei SPAR weiterbetrieben wird, werden wir weiterhin beobachten. Letztlich entscheidet der Kunde, sprich Konsument, was er akzeptiert und was er ablehnt. Der Konzern entscheidet für sich, und es gibt Konsumenten, die sich mit Vehemenz gegen die Mitwage des Verpackungsmaterials wehren, nötigenfalls auch den gesamten Einkauf im Markt belassen und SPAR ggf. den Rücken kehren. Manchmal geht es nur ums Prinzip, wenn jedoch zweistellige Centbeträge, sprich mehrere Schillinge fürs Papier zu bezahlen sind, dann geht es auch ums Geld. Respekt und Hochachtung jedoch vor der Filialleiterin – auch das sollte gesagt sein.
2007-12-30
UPDATE: Es freut uns, daß der Gesetzgeber die Unrichtigkeit des Mitwiegens der Verpackung letztendlich erkannt hat und per 1.1.2012 ein diesbezügliches Verbot erließ. Wenn unsere einschlägigen kritischen Reportagen dazu einen Beitrag leisten konnten, freut es uns umsomehr!